Kleines Kraut – ganz stark!
Die Vogelmiere sieht zwar schwach und unscheinbar aus, aber in ihr steckt eine unverwüstliche Lebenskraft. Die meisten Gärtner und Bauern bezeichnen sie als Unkraut, da sie Gartenbeete, brachliegende Äcker und Weinberge überwuchert. Man findet sie auf unbebautem Land, Schuttplätzen, an Mauern, Wegrändern, Zäunen, Hecken, auch an Waldrändern und an Ufern von Gewässern, sie liebt die Menschen, da sie oft in der Nähe von Häusern und sogar in Städten anzutreffen ist. Sie wächst und blüht unentwegt und wo ihre Stängelknoten den Boden berühren, bildet sie neue Würzelchen. Sie bringt im Laufe des Jahres 5-6 Generationen hervor und pro Generation erzeugt sie zwischen 10 und 20 000 Samen. Die Lebensdauer der Samen, wenn sie in der Erde schlummern, beträgt bis zu 60 Jahren.
Und eine weitere Besonderheit an ihr, sie lässt sich selbst von Frosttemperaturen nicht abschrecken. Bei geringen Minusgraden keimt und treibt sie sogar unter der Schneedecke. Daher kann man sie auch teilweise im Winter ernten.
Da sie stickstoffhaltigen Boden mit guter Bewässerung liebt, kann man an ihrer Verbreitung erkennen, ob ein Boden gut gedüngt bzw. fruchtbar ist. Als lebende Mulchschicht bewahrt sie den Boden vor Austrocknung und dank ihrer zarten Wurzeln lässt sie sich ganz leicht jäten oder einfach abschneiden und in den Salat damit.
Sie schmeckt erfrischend und leicht säuerlich. Eine Augenweide und ein Geschmackserlebnis bietet sie auf einem Quark-oder Butterbrot, es muss ja nicht immer Kresse sein. Sie gehört auch in die „Grüne Neun“ (9 Kräutersuppe - Pflanze des Monats April 2020) und als Gemüse eignet sie sich ebenfalls.
Eine einfache Vogelmieresuppe: Die Pflanze waschen und klein schneiden, man kann sie auch in den Mixer geben, eine Mehlschwitze herstellen, den Vogelmierenbrei zugeben, mit Brühe auffüllen und die Suppe ca. 10 Minuten köcheln lassen. Wer es däftig mag, kann noch Zwiebeln und Speck anbraten und einen Schuss Weisswein hinzutun. Die Suppe kann mit einer Sahnehaube und gerösteten Brotwürfeln serviert werden. Die Vogelmiere enthält reichlich Vitamin C, Mineralien, Zink, Kieselsäure und noch einiges mehr.
Auch die Tiere mögen diese Pflanze, ganz besonders Hühner, daher auch der Name Hühnerdarm oder Hühnerabbiss. Gänekraut, im engl. chickweed, im franz. mouron des oiseaux.
Im 16.Jh. wurde die Vogelmiere in London an Singvögel verfüttert, daher auch der Name Kanarienvogelkraut und im ital. erba canaria.
Ihr lat. Name Stellaria weisst uns auf ihre Blüte hin = Sternchen.
Die Blüten öffnen sich gegen 9.00 Uhr morgens und bleiben bis abends geöffnet. Sie wenden sich direkt der Sonne zu und bei feuchtem Wetter bleiben sie geschlossen. Als Heilpflanze bietet uns die Vogelmiere einiges, ein weiterer Inhaltsstoff sind die Saponine, diese Schaumstoffe wirken im Körper vor allem auf die Schleimhäute, sie wirken schleimlösend, verdauungsfördernd und harntreibend. Im Mittelalter galt sie als kühlend und reinigend. Man machte aus ihr Breiumschläge, Tee und Salbe gegen Hauterkrankungen wie schlecht heilenden Wunden, Geschwüren und Abzessen. Nicolas Culpeper (1616-1654 war ein englischer Apotheker, Arzt und Astrologe) verschrieb Vogelmiere-Packungen zur äusserlichen Anwendung bei Leberbeschwerden. Sebastian Kneipp setzte sie wegen ihrer schleimlösenden Wirkung bei Entzündungen der Atemwege ein. Als Lungenmittel empfiehlt er sie in Fleischbrühe zu kochen. Er verschrieb sie zur innerlichen Anwendung bei Hämorrhoiden und äusserlich bei Quetschungen und Schuppenflechte, eine Augenspülung bei entzündeten Augen.
Hier noch ein einfaches Rezept bei Schuppenflechte, Ekzemen, Wunden und Hautproblemen. Traditionell wurde schon im Mittelalter eine Salbe aus der Vogelmiere und Schmalz zubereitet.
50 g Schweineschmalz 10 g Vogelmiere
Das Schweineschmalz in einen kleinen Topf auf kleiner Flamme zum Schmelzen bringen, die Vogelmiere hinein geben und eine halbe Stunde auf kleiner Flamme köcheln, es bruzelt, da sie viel Feuchtigkeit enthält. Sie darf nicht frittieren, sie soll ihre Wirkstoffe abgeben. Das ganze abkühlen und über Nacht stehen lassen. Am nächsten Tag nochmals erwärmen und durch ein Sieb in einen Tiegel oder Glas abfüllen. Im Kühlschrank hält die Salbe gut ein Jahr.
Wer kein Schweineschmalz mag kann die Salbe auch mit Pflanzenfett herstellen.
60 g Pflanzenfett 10 ml Pflanzenöl 15 g Vogelmiere
oder mit Bienenwachs
100 g Olivenöl 10 g Bienenwachs 20 g Vogelmiere
Diese Pflanze ist kein Aprilscherz, vielleicht sehen Sie sie nun mit anderen Augen.
Comments