Wenige Pflanzen sind mit so vielen Tugenden und mit so viel Symbolgehalt überhäuft worden wie diese. Die Druiden schnitten sie mit einer goldenen Sichel von den Eichen und schrieben ihr tausend göttliche Eigenschaften zu. Als Glücksbringer verteilten sie die Mistelzweige zum Schutz gegen böse Geister und Feuer und hängten sie über den Haustüren auf. Äneas (bedeutende Figur in der griechisch/römischen Mythologie) wählte einen goldenen Mistelzweig, um die Pforten der Unterwelt zu öffnen. Hippokrates und Plinius (Ärzte der Antike) machten aus der Mistel ein Heilkraut gegen Schwindelgefühle, Epilepsie und Tumore. Im Mittelalter empfahl die heilige Hildegard sie gegen Gicht und Brustkrankheiten. Pfarrer Kneipp verabreichte sie gegen Blutergüsse und Kreislaufstörungen.
Wenn alle Bäume kahl sind, bleibt sie grün. Auf den Ästen, die sie besiedelt, wirkt sie wie eine Kugel.
Ihre ovalen, wie Hasenohren geformten Blätter, ihre weissen Beeren und das grünliche ihrer Zweige, all das wirkt ungewöhnlich. Sie ist ein Halbparasit, sie bohrt Saugrüssel in die Baumstämme und geniesst deren Saft. Sie ist aber dank ihres eigenen Chlorophylls teilweise imstande, mit Kohlensäure, Wasser und Sonnenlicht selbst für ihre Ernährung zu sorgen.
Sie bevorzugt Obstbäume, besonders Apfel-und Birnbäume. In manchen Gebieten wächst sie in grosser Fülle auf Pappeln, Kiefern und Tannen. Die Eichenmistel, die einzige, die von den Druiden gepflückt wurde und die seit jeher, vom medizinischen Standpunkt aus gesehen, die wirksamste ist, bleibt sehr selten.
Viele Vögel geniessen die weissen Beeren und geben die Samenkörner durch den Schnabel wieder von sich, diese sind nun mit einer Art klebrigem Bändchen versehen, das sich an den Baumstamm heftet, auf dem der Vogel sich niederlässt.
Das lateinische Wort viscum bedeutet „Klebstoff“ was auf ihre Vermehrung
zurück schliessen lässt. Auf diese Weise verbreitet sich die Mistel nach einiger Zeit im ganzen Obstgarten.
Bei allzu starker Dosierung ist die Mistel giftig, besonders ihre Beeren erweisen
sich als gefährlich. Man sollte nur die Zweige und die Blätter verwenden.
Die Mistel ist ein wertvolles Mittel zur Regulierung des Blutdrucks, allen, die an
hartnäckigen Kopfschmerzen, an Krämpfen, Schwindel-Beklemmungsgefühlen,
Angstzuständen, Herzstörungen und Atemnot leiden wird empfohlen zur Heilkraft der Mistel zu greifen. Arteriosklerose verbessert sich, sie leistet gute Dienste bei Gicht, Rheumatismus, Harnstein und Nierenkoliken. Seit Jahren werden mit der Mistelbehandlung bei Krebs positive Erfahrungen gemacht. Ebenso interessant ist die Feststellung, dass besonders sorgfältig hergestellte Mistelextrakte - wenn sie injiziert werden - eine Steigerung und Aktivierung der Abwehrvorgänge des Organismus hervorrufen. Allerdings darf nur der Arzt unter vorsichtiger Steigerung der Dosis die entsprechenden Injektionen vornehmen.
Volkstümliche Bezeichnungen der Mistel sind Donnerbesen, Druidenfuss, Hexenbesen, Hexenkraut, Wintergrün, und noch einige mehr.
Misteln sind in allen Asterix-Comics ein Bestandteil des vom Druiden Miraculix
gebrauten Zaubertranks.
Das Küssen unter in Wohnungen aufgehängten Mistelzweigen gehört zu den
Weihnachtsbräuchen in den USA. In Irland hat es zu Silvester Tradition, dass junge Mädchen die Nacht vom alten auf das neue Jahr nutzen, um ihrem Liebesglück auf die Sprünge zu helfen. Dazu stecken sie Efeu oder Mistelzweige vor dem Zubettgehen unter ihr Kopfkissen. Im Traum wollen sie einen Blick auf ihren zukünftigen Ehemann erhaschen. In Frankreich werden Neujahrsküsse vor allem im häuslichen Kreis ausgetauscht. Nach alter Tradition tun Liebespaare dies unter einem Mistelzweig, le gui.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes, gesundes, hoffnungsvolles und glückliches Neues Jahr 2022
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